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15.01.2013 08:27

Vielzelligkeit bei Cyanobakterien als Ursache für grösstes Klimaereignis der Erdgeschichte

Morphologische Veränderungen bei Bakterien können Ereignisse von globalen Ausmassen auslösen. Evolutionsbiologen der Universität Zürich und Göteborg weisen nach, dass die Entstehung der Vielzelligkeit bei Sauerstoff produzierenden Cyanobakterien vor 2,3 Milliarden Jahren ein Schlüsselereignis im Zusammenhang mit der Zunahme des atmosphärischen Sauerstoffs war. Damit wurden die Voraussetzungen für die Entwicklung von Sauerstoff atmenden Organismen und für das Leben, wie wir es heute kennen geschaffen.


Vielzellige Cyanobakterien mit Algen ähnlichem Wachstum. (Bild: Schirrmeister, Bagheri, Universität Zürich)

Cyanobakterien gehören zu den ältesten Organismen auf unserem Planeten. Sie kommen auch heute noch in Ozeanen, Gewässern und selbst in heissen Quellen vor. Cyanobakterien produzieren Sauerstoff und spielten damit und durch die Entwicklung der Vielzelligkeit eine Schlüsselrolle für die Entstehung von Sauerstoff atmenden Organismen. Dies konnte ein Team von Wissenschaftlern unter der Leitung von Evolutionsbiologen der Universität Zürich nachweisen. Gemäss ihren Untersuchungen entwickelten Cyanobakterien die Vielzelligkeit rund eine Milliarde Jahre früher als dies bei Eukaryoten, Zellen mit Zellkern, der Fall war. Wie die Forscher in ihrer soeben in den Proceedings of the National Academic of Sciences veröffentlichten Arbeit darlegen, scheint die Ausbildung der Vielzelligkeit der Cyanobakterien einer Auslöser für die Anreicherung von freiem Sauerstoff in den Ozeanen und der Erdatmosphäre gewesen zu sein.

Vielzelligkeit bereits vor 2,3 Milliarden Jahren  
Für ihre Fragestellung  führten die Wissenschaftler genetische Untersuchungen an rezenten Cyanobakterien durch und analysierten deren Stammesgeschichte und Evolutionsraten. Diese Erkenntnisse kombinierten sie mit Daten von fossilen Cyanobakterien. Anhand ihrer Studie können Bettina Schirrmeister und Kollegen Belege für die Wissenschaftstheorie beibringen, dass Cyanobakterien tatsächlich bereits vor 2,5 Milliarden Jahren entstanden waren. « Vielzelligkeit entstand relativ früh in der Geschichte der Cyanobakterien, nämlich vor etwa 2,3 Milliarden Jahren», erläutert Schirrmeister, ihre an der Universität Zürich entstandene Doktorarbeit. Gemäss den neuen Resultaten entstand Vielzelligkeit somit wesentlich früher, als bisher angenommen wurde.

Sauerstoffanstieg in Ozeanen und Erdatmosphäre
Wie die Wissenschaftler zeigen können, entstand die Vielzelligkeit chronologisch kurz vor dem Anstieg von freiem Sauerstoff in den Ozeanen und der Atmosphäre. Die Akkumulation von freiem Sauerstoff wird als «Great Oxidation Event» bzw. als «grosse Sauerstoff-Katastrophe» bezeichnet und gilt als erdgeschichtlich folgenreichstes Klimaereignis (siehe Kasten). Aufgrund ihrer Daten vermuten Schirrmeister und ihr Doktorvater Homayoun Bagheri einen möglichen Zusammenhang zwischen dem Entstehen der Vielzelligkeit und dem «Great Oxidation Event». Gemäss Bagheri ist bei vielzelligen Lebewesen der Stoffwechsel oftmals effizienter als bei einzelligen. Die Forscher stellen daher die These auf, dass die neue entstandene Vielzelligkeit der Cyanobakterien eine Rolle bei der Auslösung des «Great Oxidation Events» gespielt haben.
 
Cyanobakterien besetzen frei gewordene Nischen 
Die gesteigerte Sauerstoffproduktion führte zum Kippen der ursprünglichen Erdatmosphäre. Da Sauerstoff für viele anaeroben Organismen giftig ist,  wurden viele anaerobe Bakterienarten verdrängt und ökologische Nischen frei. Die Forscher stellen im Anschluss an den «Great Oxidation Event» bei Cyanobakterien eine hohe Entstehungsrate von neuen Arten fest und gehen davon aus, dass diese die die frei gewordenen Lebensräume besetzten. «Morphologische Änderungen bei Kleinstlebewesen wie Bakterien waren in der Lage, die Umwelt grundlegend und in kaum vorstellbaren Mass zu beeinflussen», fasst Schirrmeister die Auswirkungen der Entstehung der Vielzelligkeit bei Cyanobakterien zusammen.



Literatur:
Bettina E. Schirrmeister, Jurriaan M. de Vos, Alexandre Antonelli, Homayoun C. Bagheri, Evolution of multicellularity coincided with increased diversification of cyanobacteria and the Great Oxidation Event, PNAS Early Edition, DOI: 10:1072/pnas.1209927110/-/DCSupplemental.


Kontakt:
Dr. Bettina Schirrmeister
School of Earth Sciences
University of Bristol
Wills Memorial Building
Queens Road
Bristol BS8 1RJ
Great Britain
Tel. +44 117 3315239
E-Mail bettina.schirrmeister (at) bristol.ac.uk

Dr. Homayoun Bagheri
Institut für Evolutionsbiologie und Umweltwissenschaften
Universität Zürich
Winterthurerstr. 190
8057 Zürich
Tel. +41 44 635 66 23
E-Mail homayoun.bagheri (at) ieu.uzh.ch

Der «Great Oxidation Event» bzw. die «grosse Sauerstoff-Katastrophe»
In der Ur-Atmosphäre der Erde war freier Sauerstoff  (O2) nur in Spuren vorhanden. Alles Leben beruhte ausschliesslich auf anaeroben Prozessen - chemischen Vorgängen, die ohne Sauerstoff ablaufen. Mit der Entstehung der Cyanobakterien, die mit Hilfe von Licht Wasser oxidieren und als Stoffwechselprodukt Sauerstoff ausscheiden, begannen sich die Lebensbedingungen auf der Erde allmählich zu verändern. Anfänglich wurde der von Cyanobakterien produzierte freie Sauerstoff durch oxidierbare Elemente wie z.B. Eisen chemisch gebunden. Als «Great Oxidation Event» bzw. als «grosse Sauerstoff-Katastrophe» wird der Zeitpunkt vor rund 2,3 Milliarden Jahren bezeichnet, als neu entstandener Sauerstoff nicht mehr chemisch gebunden werden konnte und sich als O2 im Meerwasser und in der Atmosphäre anzureichern begann.

(Text: Dr. Calista Fischer, Kommunikationsbeauftragte MNF)


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